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Biokompatibilität entlang des Produktlebenszyklus

Eine Zusammenfassung des Vortrags "Biokompatibilität entlang des Produktlebenszyklus" von unserer Junior Consultant Irina Barac auf dem Treffpunkt Medizintechik.

Am 24. September 2024 hielt unsere Expertin Irina Barac, Junior Consultant bei BEO BERLIN, einen Impulsvortrag zum Thema „Biokompatibilität entlang des Produktlebenszyklus“. Der Vortrag war Teil des Treffpunkt Medizintechnik, einer von HealthCapital organisierten Veranstaltung, die vom Wirtschafts- und Wissenschaftscluster der Länder Berlin und Brandenburg kofinanziert wurde. Der Treffpunkt brachte Fachleute der Medizinproduktbranche zusammen und bot eine wertvolle Plattform für den Austausch von Expertenwissen und innovativen Ideen. Wir haben uns besonders über das Engagement und die Expertise unserer jungen Mitarbeiterin sowie über den Ideenmarkt von konzentriertem Nischenwissen auf dieser Veranstaltung gefreut.

Um Irinas Wissen weiter zu streuen und Sie, werte Leser*innen, zu informieren, haben wir den Inhalt des Vortrags hier für Sie zusammengefasst.

Was ist Biokompatibilität?

Zu Beginn des Vortrags erläutert Irina den Begriff der Biokompatibilität. Der Gesetzgeber definiert Biokompatibilität gemäß DIN EN ISO 10993-1 als die Fähigkeit eines Medizinprodukts oder Materials, mit einer angemessenen Host-Reaktion, Leistung in einer spezifischen Anwendung zu erbringen. Irina erläuterte uns, was mit diesen komplizierten Worten gemeint ist: Ein Produkt ist biokompatibel, wenn es für Lebewesen gut verträglich ist und keine negativen Einflüsse auf deren Körper hat.

Die ISO 10993-1 ist besonders wichtig, da sie Methoden und Leitfäden zur Erfüllung der Anforderungen der Medical Device Regulation (MDR) bietet. Diese Europäische Verordnung, die seit 2017 in Kraft ist, fordert, dass die Kompatibilität zwischen den Materialien eines Medizinprodukts und dem biologischen Gewebe der Anwender*innen sichergestellt werden muss. Hersteller sind nicht nur gesetzlich dazu verpflichtet, die Biokompatibilität ihrer Produkte nachzuweisen, sondern haften auch für mögliche Vorkommnisse, die auf mangelnde Biokompatibilität zurückzuführen sind.

Irina Barac Vortrag Treffpunkt Medizintechnik

Biokompatibilität und der Produktlebenszyklus

Ein zentrales Thema des Vortrags ist die Frage, wie Biokompatibilität über den gesamten Produktlebenszyklus eines Medizinprodukts hinweg gewährleistet werden kann. Irina betont, dass Biokompatibilität nicht nur während der Entwicklung eines Produkts eine Rolle spielt, sondern kontinuierlich während des gesamten Lebenszyklus überwacht werden muss. Dieser beginnt mit der Planung des Produkts und erstreckt sich über die Markteinführung bis hin zur ständigen Überwachung des Produkts auf dem Markt.

In der Planungsphase eines neuen Medizinprodukts sollte die Biokompatibilität bereits frühzeitig berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass die verwendeten Materialien den Anforderungen entsprechen. Während des Konformitätsbewertungsverfahrens wird die Biokompatibilität in der Technischen Dokumentation festgehalten. Auch nach der Markteinführung muss die Biokompatibilität regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass das Produkt keine unerwünschten biologischen Reaktionen verursacht.

Nachweis der Biokompatibilität: Ein Leitfaden

Im weiteren Verlauf des Vortrags stellt Irina einen Leitfaden für den Nachweis der Biokompatibilität vor. Dieser Prozess beginnt mit der Charakterisierung der verwendeten Materialien. Hierbei werden nicht nur das Material selbst, sondern auch Faktoren wie Zusatzstoffe, Rückstände, potenziell herauslösbare Bestandteile und die physikalischen Eigenschaften des Materials berücksichtigt. Auch externe Faktoren wie der Herstellungsprozess, die Verpackung, die Reinigung und Sterilisation sowie die Alterung des Produkts können die Biokompatibilität beeinflussen.

Nachdem alle relevanten Materialdaten gesichtet wurden, entscheidet der Hersteller, ob diese ausreichen, um ein biologisches Risiko auszuschließen. In einigen Fällen kann auf zusätzliche biologische Prüfungen verzichtet werden, wenn bereits ein äquivalentes, vermarktetes Produkt existiert oder ausreichend Daten in der Literatur oder von Lieferanten vorliegen. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, stellt die EN ISO 10993-1 einen Leitfaden zur Verfügung, um festzulegen, welche biologischen Prüfungen notwendig sind.

Biologische Prüfungen und Kontaktkategorien

Ein entscheidender Faktor bei der Festlegung der biologischen Endpunkte ist die Art und Dauer des Körperkontakts des Medizinprodukts. Irina erläutert, dass es drei Kategorien des Körperkontakts gibt:

  1. Kontakt zu Körperoberflächen: Dazu gehören Produkte, die mit intakter Haut, Schleimhäuten oder verletzter Haut in Berührung kommen.
  2. Kontakt zu Körperinnerem: Hierzu zählen Produkte, die indirekt oder direkt mit dem Blutkreislauf, Gewebe, Knochen oder Organen in Kontakt stehen.
  3. Implantate: Diese Kategorie umfasst Produkte, die dauerhaft im Körper verbleiben und direkten Kontakt mit Gewebe oder Blut haben

Zusätzlich zur Kontaktart wird die Kontaktdauer in drei Kategorien unterteilt: kurzzeitiger Kontakt (bis 24 Stunden), längerer Kontakt (24 Stunden bis 30 Tage) und Langzeitkontakt (über 30 Tage). Besonders wichtig ist hierbei die kumulative Kontaktdauer, wenn ein Produkt mehrfach verwendet wird.

Auf Basis dieser Faktoren wird entschieden, welche biologischen Endpunkte geprüft werden müssen, um die Biokompatibilität nachzuweisen. Nach eingehender Diskussion kann es in einigen Fällen auch zu einem Ausschluss gewisser Endpunkte aus der Prüfung kommen. Norm EN ISO 10993-1 bietet hierzu eine komplexe Matrix, die dabei hilft, die notwendigen Prüfungen festzulegen.

Kontinuierliche Überwachung und Neubewertung

Der Nachweis der Biokompatibilität ist jedoch keine einmalige Aufgabe. Irina betont die Bedeutung der kontinuierlichen Überwachung von Medizinprodukten, insbesondere nach der Markteinführung. Hersteller müssen Vorkommnisse und Trends erfassen und regelmäßig Literaturrecherchen durchführen, um sicherzustellen, dass es keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, die die Biokompatibilität des Produkts infrage stellen könnten. Bei Änderungen des Produkts, beispielsweise durch einen Wechsel des Materials oder der Herstellungsmethoden, muss die Biokompatibilität neu bewertet werden.

Fazit

Abschließend fasst Irina zusammen, dass das Ziel der Biokompatibilitätsbewertung darin besteht sicherzustellen, dass Medizinprodukte, die in Kontakt mit dem menschlichen Körper kommen, keine biologischen Gefährdungen für Patienten oder Anwender darstellen. Die EN ISO 10993-1 bietet einen klaren Leitfaden für die Schritte, die notwendig sind, um diesen Nachweis zu erbringen. Dabei muss die Biokompatibilität nicht nur bei der Produktentwicklung berücksichtigt, sondern auch während des gesamten Lebenszyklus eines Produkts überwacht werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt und die Sicherheit der Patienten hinreichend gewährleistet wird.




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