Überprüfung der Dokumentation zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen durch Überwachungsbehörden.
PMS ist ein zentrales Element der MDR (Medical Device Regulation) und MepV. (Medizinprodukteverordnung). Sie verpflichtet Hersteller dazu, systematisch Daten zur Sicherheit und Leistung ihrer Produkte im Markt zu erfassen, auszuwerten und darauf zu reagieren. Die Ergebnisse der Swissmedic-Schwerpunktaktion zeigen aber verbreitete Mängel in der Umsetzung – unter anderem bei der Dokumentation, der Berichtsstruktur und der Verbindung zum Qualitätsmanagement.
In diesem Artikel werden wir:
- zentrale Begriffe wie PMS, Vigilanz, PMCF und CAPA erläutern,
- die wichtigsten Ergebnisse der behördlichen Prüfung zusammenfassen,
- und Empfehlungen für eine praxisgerechte und regulatorisch saubere Umsetzung geben.
Das System der Post-Market Surveillance – Begriffe und Prozesse
Die Grundlage für Post-Market Surveillance findet sich in der MDR, Artikel 83. Dort wird vorgeschrieben, dass Hersteller für jedes Produkt ein Post-Market Surveillance System planen, etablieren, dokumentieren, implementieren, aufrechterhalten und aktualisieren sollen.
Der Zweck desselben sei die aktive und systematische Überwachung der Sicherheit und der Effekte vermarkteter Produkte. Die MDR zählt eine Reihe systematisch relevanter Zwecke der PMS auf und definiert auch Form und Umfang der Dokumentation der PMS.
Weiterhin ist die nah verwandte Vigilance zu erwähnen. Vigilance (engl. für Wachsamkeit) benennt eine Reihe von Prozessen, die insbesondere unerwünschte Ereignisse bzw. schwerwiegende Vorkommnisse aufdecken und vermeiden sollen. Unerwünschte Ereignisse werden nach dem Grad ihrer Schwere, also dem Maß des Schadens für Benutzer oder Dritte bewertet. Je nachdem wie hoch der Grad des unerwünschten Ereignisses ist, desto schneller sind Hersteller in der Pflicht dieses der zuständigen Behörde zu melden. Um das zu ermöglichen, ist ein solides PMS-System unumgänglich.
Zweck der Vigilance und der sie begleitenden Herstellerpflichten ist natürlich der Patientenschutz. Insbesondere durch sogenannte Korrektive Maßnahmen (kurz: CAPA, für corrective and preventive actions). Herstellende sind verpflichtet, den Bedarf für CAPAs zu erkennen (Verpflichtung resultierend aus §83 und §84), sowie notwendige Prozesse einzuleiten, um effektive Korrektive Maßnahmen zu ergreifen.
Nicht zu verwechseln ist die Post-Market Surveillance und Vigilance mit der Marktüberwachung. Diese besteht aus Stichproben und Schwerpunktationen – wie geschehen durch Swissmedic – und steht unter behördlicher Leitung und Verantwortung. PMS und Vigilance stehen unter Leitung und Verantwortung der Hersteller.
Hintergrund und Ziel der Untersuchung
Über eine Maßnahme der Marktüberwachung berichtet jetzt Swissmedic, die schweizerische Überwachungsbehörde: Im Rahmen ihrer Marktüberwachung wurden dort 30 Produkte mit altrechtlicher CE-Zertifizierung (unter MDD oder AIMDD) überprüft. Untersucht wurde, ob für diese Produkte regelkonforme PMS-Systeme etabliert wurden und ob die erforderlichen Sicherheitsberichte (PSURs – Periodic Safety Update Reports) gemäß Artikel 86 MDR bzw. Artikel 59 MepV vollständig und korrekt erstellt worden waren.
Das Ziel der Überprüfung war nicht nur eine formale Kontrolle der Dokumentation, sondern insbesondere eine Bewertung, ob Hersteller die Überwachungspflichten nach Markteintritt tatsächlich umsetzen – also Risiken erkennen, bewerten und geeignete Maßnahmen einleiten.
Zentrale Ergebnisse
Die Analyse zeigte deutliche Defizite:
- In zwei Dritteln der Fälle (20 von 30 Produkten) wurden Nichtkonformitäten festgestellt.
- Besonders häufig fehlten PMS-Pläne vollständig (11 Produkte) oder waren unvollständig ausgeführt.
- In acht Fällen entsprach der PSUR nicht dem zuvor festgelegten PMS-Plan.
- Weitere typische Mängel betrafen das Fehlen zentraler Inhalte im Sicherheitsbericht:
- Absatzmengen und geschätzte Patientenzahlen
- Angaben zu korrektiven und präventiven Maßnahmen (CAPAs)
- Ergebnisse aus Post-Market Clinical Follow-up (PMCF)
- Schlussfolgerungen zur Nutzen-Risiko-Bewertung
Auffällig war zudem, dass 28 der 30 geprüften Produkte von ausländischen Herstellern stammten. In diesen Fällen war jeweils der Bevollmächtigte (AR/REP) direkter Ansprechpartner für die Behörde.
Relevanz für Hersteller und Bevollmächtigte
Die Ergebnisse zeigen, dass PMS und PSUR in vielen Fällen nicht systematisch umgesetzt oder nicht ausreichend dokumentiert werden. Dabei sind die regulatorischen Anforderungen klar: Laut MDR Artikel 83 ff. muss ein Hersteller für jedes Produkt ein PMS-System einrichten, das alle verfügbaren Felddaten berücksichtigt und aktiv zur Verbesserung der Produktsicherheit beiträgt.
Der PSUR ist für Produkte der Klassen IIa, IIb und III verpflichtend und muss mindestens alle ein bis zwei Jahre aktualisiert und bei Bedarf der benannten Stelle oder – in der Schweiz – Swissmedic vorgelegt werden. Die Inhalte des PSUR sind in Anhang III der MDR sowie in MDCG-Leitlinien (z. B. MDCG 2022-21) konkretisiert.
Bevollmächtigte haben in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle: Sie sind nicht nur Kommunikationsschnittstelle zu den Behörden, sondern müssen auch sicherstellen, dass Hersteller über etwaige Feststellungen unterrichtet werden. Swissmedic appellierte in ihrem Bericht ausdrücklich an CH-REPs, diese Verantwortung aktiv wahrzunehmen. Diese Verantwortung liegt in gleichem Maße bei EU-REPs.
Fazit: PMS als reale Pflicht, nicht als formale Übung
Die Schwerpunktaktion der Swissmedic verdeutlicht, dass es sich bei der Überwachung nach dem Inverkehrbringen nicht um eine administrative Formalität handelt. Sie ist integraler Bestandteil des Sicherheitskonzepts und entscheidend für das Vertrauen in die Konformität von Medizinprodukten.
Hersteller – insbesondere solche mit nicht-europäischem Sitz – sind gut beraten, ihre PMS-Systeme kritisch zu prüfen und die vollständige Dokumentation sicherzustellen. Dazu gehört ein robuster PMS-Plan, ein aussagekräftiger PSUR, gut dokumentierte CAPA-Prozesse sowie eine enge Zusammenarbeit mit ihrem Bevollmächtigten.
Die nächsten Stichproben der Behörden werden kommen – und sie werden prüfbarer, digitaler und datengetriebener sein. Wer vorbereitet ist, hat die Sicherheit auf seiner Seite.
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