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Gebührenreform bei der MHRA – Zeitenwende bei den Regulierungsbehörden?

In diesem Artikel beleuchten wir die Änderungen im Gebührenmodell der britischen Regulierungsbehörde MHRA. Eine kritische Perspektive.

Die Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) übernimmt im Vereinigten Königreich eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Medizinprodukten, ähnlich der FDA in den Vereinigten Staaten. Die Behörde überwacht, die auf dem britischen Markt befindlichen Medizinprodukte – ein Prozess, der für Hersteller bald deutlich teurer werden könnte.

Die MHRA hat angekündigt, ihre Gebührenstruktur ab 2025 umfassend zu ändern. Die geplanten Erhöhungen sollen die finanzielle Stabilität der Behörde sichern und die Steuerlast für den britischen National Health Service (NHS) verringern. Doch dieser Schritt birgt Herausforderungen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Produkte in Großbritannien vertreiben möchten. Die Gebühren sind weder nach Unternehmensgröße noch nach voraussichtlichem Absatz gestaffelt, was kleinere Hersteller im Vergleich zu Großunternehmen deutlich härter trifft.

In diesem Artikel werfen wir einen genauen Blick auf die geplanten Änderungen, deren politische Einordnung und die möglichen Folgen für den britischen Markt. Abschließend vergleichen wir das MHRA-Modell mit den Ansätzen der FDA und dem etwas anderen Europäischen Modell.

Details der geplanten Gebührenerhöhung der MHRA1

  • Erhöhung aller Grundgebühren um 8,85%
  • Die Gebühren für die Registrierung von Medizinprodukten werden pauschal um knapp 9 % erhöht.
  • Begründet wird dies durch eine 4,5 % Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst im Fiskaljahr 2023/24 sowie einen erwarteten Anstieg um weitere 2,2 %. Die restlichen 2,15 % bleiben vorläufig unbegründet.
  • Einführung einer Post-Market Überwahungsgebühr von £210 jährlich.
  • Eine neue jährliche Gebühr von £210 pro registriertem Produkt wird eingeführt, definiert durch die spezifische GMDN-Nummer.
  • Ein Hersteller mit zwei Produkten zahlt somit jährlich zusätzliche £420.
  • Einführung einer Beratungsgebühr für Konsultationsgespräche.
  • Unternehmen, die eine Konsultation mit der MHRA benötigen, zahlen künftig £987 pro Stunde.
  • Laut der MHRA ist dieser Service nur bei besonders komplexen Produkten erforderlich.

Politische Einordnung: Austerität statt Inklusivität?

Die MHRA rechtfertigt die Gebührenerhöhungen mit der Belastung des Haushalts durch steigende Personalkosten. Doch die Maßnahme steht auch im Kontext eines politischen Paradigmenwechsels. Großbritannien folgt zunehmend dem User-Pays-Prinzip, das besagt, dass spezifische staatliche Leistungen direkt von den Nutzer*innen getragen werden sollen, um die Allgemeinheit zu entlasten.

Dies reflektiert die Sparpolitik der britischen Regierung in der Post-Brexit-Ära. Während das Ziel der Kostendeckung und Unabhängigkeit nachvollziehbar ist, könnten die ungestaffelten Gebühren kleine Unternehmen übermäßig belasten und langfristig Innovationen behindern.

Vergleich der Gebührenmodelle: MHRA, FDA und EUDAMED

MHRA und FDA: Zentrale Regulierung mit hohen Hürden

Die MHRA nähert sich mit ihrer neuen Gebührenstruktur dem Modell der FDA an, der US-amerikanischen Regulierungsbehörde. Die FDA erhebt hohe Gebühren für die Zulassung von Medizinprodukten (user-fees), unter anderem durch das Medical Device User Fee Amendments (MDUFA)-Programm und auch wiederkehrende (annual establishment registration fee) unabhägig von der Risikoklasse der Medizinprodukte. Dieser Ansatz ermöglicht es der FDA, ein hohes Maß an Servicequalität und internationale Anerkennung sicherzustellen. Produkte mit FDA-Zulassung gelten weltweit als „Goldstandard“.

Doch die hohen Gebühren der FDA haben Schattenseiten:

  • KMU im Nachteil: Viele kleinere Hersteller können die Kosten nicht stemmen, wodurch der Wettbewerb eingeschränkt wird.
  • Es gibt für die Jahresgebühren der FDA keine small-business Ermäßigung, was wiederum unterstreicht, dass kleinere Unternehmen bzw. umsatzschwächere Unternehmen benachteiligt sind.
  • Marktkonzentration: Große Unternehmen dominieren, während innovative Nischenanbieter oft außen vor bleiben.

EU: Gebührenfreie Registrierung, dezentralisierte Zulassung

Im Gegensatz dazu ist der EU-Marktzugang grundsätzlich gebührenfrei. Allerdings benötigen Hersteller (außer Klasse I) zusätzlich eine Zertifizierung durch Benannte Stellen, unabhängige Organisationen, die in einem wettbewerbsorientierten System arbeiten. Während die Registrierung von Medizinprodukten in der EU zetralisiert durch die EUDAMED-Datenbank abläuft, wird die Lizensierung dezentral durch diverse private und halbstaatliche Benannte Stellen wie TÜV SÜD, DEKRA oder die BSI-Gruppe durchgeführt.

  • Gestaffelte Gebühren: Benannte Stellen bieten oft flexible Gebührenstrukturen an, die sich an der Unternehmensgröße orientieren.
  • Innovationsfreundlich: Geringere finanzielle Hürden fördern den Markteintritt kleinerer Hersteller und damit Innovation.
  • Harmonisierung durch MDR: Trotz der dezentralen Struktur gewährleisten die Vorgaben der Medizinprodukteverordnung (MDR) weitestgehend einheitliche Standards.

Auswirkungen der MHRA-Entscheidung auf KMU und Innovation

Die neuen Gebühren der MHRA könnten weitreichende Folgen haben:

  1. Wettbewerbsverzerrung
    • Große Hersteller können die Gebühren leichter absorbieren, während KMU oft überproportional belastet werden.
    • Dies könnte dazu führen, dass kleinere Unternehmen den britischen Markt meiden, was den Wettbewerb einschränkt.
  2. Gefahr der Monopolisierung
    • Eine Marktdominanz großer Unternehmen könnte Innovationen bremsen und die Marktvielfalt reduzieren.
  3. Höhere Verbraucherpreise
    • Weniger Wettbewerb und höhere Kosten für Hersteller könnten zu steigenden Preisen für medizinische Produkte führen.

Fazit

Die Gebührenerhöhung der MHRA folgt einer klaren politischen Linie: Der britische Staat will seine Behörden finanziell unabhängiger machen und die Belastung der Steuerzahler verringern. Doch die ungestaffelte Gebührenstruktur stellt eine erhebliche Hürde für kleine und mittlere Unternehmen dar, die oft Innovationen vorantreiben.

Im Vergleich zu den Modellen der FDA und EUDAMED zeigt sich, dass hohe Eintrittsbarrieren, wie sie bei der MHRA und FDA existieren, langfristig negative Auswirkungen auf Marktvielfalt und Wettbewerb haben können. Die EU und die Benannten Stellen bieten hier einen flexibleren und inklusiveren Ansatz, der sich positiv auf kleinere Unternehmen auswirkt.

Die MHRA muss künftig die Balance zwischen Austerität und Inklusivität sorgfältig im Auge behalten, um Großbritannien als attraktiven Markt für Medizinprodukte zu erhalten. Ein gestaffeltes Gebührenmodell könnte ein entscheidender Schritt sein, um KMU zu entlasten, Innovationen zu fördern und den britischen Markt langfristig wettbewerbsfähig zu halten.

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